Kontinuität in Bethlehem
Foto: © Meinrad Schade | Das Interview führte Richard Asbeck
Viele unserer Spenderinnen und Spender kennen Sie aus den Patientengeschichten. Wie war ihr Werdegang?
Ich komme aus Bethlehem, bin hier aufgewachsen und habe in Jerusalem an der Al-Quds-Universität Medizin studiert. Meine erste Stelle als Arzt habe ich gleich im Caritas Baby Hospital angetreten und konnte dort einige Jahre Berufserfahrung sammeln.
Wie haben Sie sich dann spezialisiert?
Meine fachärztliche Ausbildung im Bereich Pädiatrie habe ich in einem der führenden Krankenhäuser in Jordanien erhalten. Anschließend wurde ich im Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem zum Pulmologen fortgebildet. Das war eine anstrengende Zeit, denn parallel habe ich an meinen freien Tagen weiterhin in Bethlehem gearbeitet. Aber es war auch sehr fruchtbar: Zusammen mit dem Team haben wir die fachliche Kapazität des Caritas Baby Hospital weiterentwickelt, besonders in der Intensivmedizin.
Mit dieser breiten Erfahrung können Sie die Stärken der Kinderklinik gut beurteilen.
Bei uns profitieren die kranken Kinder und ihre Familien von einer Gesundheitsversorgung, die aus meiner Sicht in Palästina einzigartig ist. Zum einem sind wir absolut prozessorientiert: Jeder Behandlungsschritt ist festgelegt und wird laufend dokumentiert. Gleichzeitig ist unser Team empathisch und stellt das Kind ins Zentrum der Behandlung. Beides prägt das Klima im Krankenhaus, die Qualitätsorientierung und das Menschliche.
"Das Spektrum an kindgerechter Versorgung hier in Palästina muss weiter wachsen."
Dr. Ra'fat Allawi, neuer Chefarzt des Caritas Baby Hospitals
Was ist das Herausfordernde an ihrer Arbeit?
Die Herausforderungen werden immer größer. Seit dem Krieg in Gaza haben auch hier im Westjordanland viele Familien kein Einkommen mehr. Manche können sich eine medizinische Versorgung kaum noch leisten. Zum Glück hilft unser Sozialdienst und übernimmt den finanziellen Selbstbehalt der ärmsten Familien.
Welche weiteren Herausforderungen an kindgerechter Versorgung hier in Palästina sehen Sie und wie begegnen Sie ihnen?
Gegenwärtig gibt es in Palästina keine ausreichende kindermedizinische Betreuung. Deshalb entwickeln wir die fachärztlichen Kapazitäten immer weiter fort, zum Beispiel mit dem Projekt Tageschirurgie. Wir wollen noch viel mehr Kinder kindgerecht behandeln. Das Spektrum an kindgerechter Versorgung hier in Palästina muss weiter wachsen.
Die Eröffnung der Tageschirurgie ist für Oktober 2025 vorgesehen.
Wir befinden uns schon inmitten der Umsetzung der Pläne – dank der vielen großzügigen Spenden aus Europa. Das Projekt fordert von uns allen einen hohen Einsatz, nicht nur von den Spenderinnen und Spendern oder dem Management. Aus medizinischer Sicht gilt: Die chirurgischen Behandlungen müssen in die anderen Prozesse eingebunden werden. Das bedeutet viel Arbeit. Aber dies mitgestalten zu dürfen, ist für mich ein sehr großes Privileg.